In der Digitalisierung sind Geschäftsmodelle in der Regel Daten getrieben. Der Erfolg der vielzitierten „Plattformökonomie“ beruht zu einem erheblichen Anteil auf der Sammlung und Auswertung von Informationen. Der Bedarf an Datenvielzahl und Datenvielfalt von Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz, Blockchain und Virtual Reality ist ebenfalls enorm. Aber wie kann diese Masse an Daten und Informationen bereitgestellt und verarbeitet werden? Vielleicht ist ein Umdenken in den Unternehmen notwendig: Tradierte Verhaltensmuster und Strategien gehören auf den Prüfstand.
„Sharing Economy“, „Platform Economy“ und natürlich die nicht totzukriegende Phrase von den Daten als dem „neuen Gold“, respektive dem „Öl des 21. Jahrhunderts“ prägen schon seit langem die Diskussion um die digitale Transformation. Dabei zeigt sich jedoch, dass es – gerade hierzulande – offensichtlich schwierig ist, diese Themen von einer rein theoretischen Betrachtung auf eine praktische Ebene zu hieven. In der Theorie mag das alles nachvollziehbar und vernünftig klingen, aber warum hapert es dann sooft an der Umsetzung in der Unternehmensrealität?
Daten als Kern der Plattformökonomie
In der Plattformökonomie geht es um die Etablierung von Standards, um die Schaffung von Netzwerkeffekten durch die Errichtung einer zentralen Plattform, die die Zugänge auf einem bestimmten Markt herstellt und damit kontrolliert – wir alle kennen die vielzitierten einschlägigen Beispiele von Uber („das weltgrößte Taxisunternehmen besitzt selbst kein einziges Taxi…“), Booking.com, Facebook, Amazon oder Google. Daten spielen hierbei eine ganz entscheidende Rolle. Nur durch deren Auswertung und durch den zielgerichteten Einsatz der daraus gewonnenen Erkenntnisse lassen sich die Kundenbeziehungen organisieren und das System insgesamt mit Leben füllen. Daten sind damit gleichzeitig DNA und zentrales Nervensystem der Plattformen.
Plattformökonomie: Gatekeeper mittels Daten
Der Plattformökonomie wird attestiert, dass sie tradierte Märkte aushebelt: Erfolgreiche Plattformen zwängen sich als Gatekeeper zwischen Endkunde und ursprünglichem Anbieter. Letztere verfügen zwar eigentlich über die notwendigen „Hard Assets“ – die Taxis, Hotels oder Content – werden somit aber gewissermaßen zum bloßen Zulieferer „degradiert“, mit entsprechenden Folgen für Autonomie und Ertragskraft. Wer diesem Schicksal enteilen will, hat nur die Chance, entweder eigene Plattformen zu gründen oder sich selbst mit entsprechenden Netzeffekten und datenökonomischen Instrumenten zu wappnen.
Skaleneffekte in der Datenökonomie
Die zentrale Frage lautet dabei stets: Wie lässt sich das eigene Leistungsversprechen durch die Verknüpfung mit Daten aufwerten? Entscheidend in diesem Kontext ist, dass nur der Zugang zu massenhaften Daten echte Wertschöpfung ermöglicht. Ein einzelner Datensatz ist stets wertlos. Werte entstehen in der Datenökonomie erst, wenn Verknüpfungen hergestellt und Muster identifiziert werden, wenn es gelingt, daraus die „Soft Assets“ zu schaffen, die das ursprüngliche Leistungsversprechen auf diese Weise entscheidend anreichern.
Schiere Größe ist in der Plattformökonomie wie überhaupt in der Digitalen Wirtschaft meist ein entscheidender Vorteil. Alle Technologieunternehmen, die heute die digitalen Märkte dominieren, haben ab einem bestimmten Zeitpunkt auf die Generierung von Skaleneffekten gesetzt. Für den hiesigen Mittelständler, selbst auch für die großen, global tätigen Unternehmen hierzulande, etwa aus dem Automobil- und Maschinenbau, stellt sich dann natürlich die Frage, wie es möglich ist, da mitzuhalten – auf den ersten Blick ein unmöglich erscheinendes Unterfangen. Im eigenen Verfügungsbereich sind meistens nur beschränkte Datenressourcen vorhanden. Wertzuwächse hängen gleichwohl aber sehr wesentlich von der Menge der verarbeitbaren Daten ab.
Synergieeffekte entstehen nur, wenn Daten aus ihren Silos befreit werden
Die Antwort darauf kann nur in der Erzeugung von Synergieeffekten liegen. Diese entstehen jedoch nur, wenn es gelingt, Daten aus ihren Silos zu befreien und für die Vernetzung freizugeben. In vielen Unternehmen werden Daten streng getrennt von einander vorgehalten. Das hat einerseits natürlich technische Gründe – die Hürden bei der Zusammenführung – Systeminkompatibilitäten, unterschiedliche Datenstrukturen und Dopplungen – erscheinen nicht selten beträchtlich. Andererseits stehen allzu oft auch Revierstreitigkeiten und Befindlichkeiten von „Provinzfürsten“ im Unternehmen einer Zusammenführung im Weg.
Jenseits des eigenen Horizonts
Natürlich muss es gelingen, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen, entweder durch gute Führungsleistung oder technisch, mittels ausgefeilteren technologischen Ansätzen zur Datenstrukturierung, etwa auch aus dem Bereich des maschinellen Lernens. Allein das wird in den meisten Fällen nicht reichen. Selbst wenn es gelingt, diese internen Erschwernisse zu beseitigen, ist der Bedarf an Daten und die Anforderungen an die Anzahl und Detaillierung von Datensätzen kaum von einem Unternehmen allein zu bewerkstelligen. Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Virtual Reality sind in großem Maße Daten getrieben. Wenn die einzige Quelle zu deren Erzeugung und Sammlung das eigene Unternehmen ist, dürfte das kaum ausreichen, um hier Erfolge zu erzielen.
Hoher Datenbedarf: Künstliche Intelligenz, Blockchain & Co
Insbesondere das Training von KI, im Wege von Deep Learning und mittels Künstlicher Neuronaler Netzwerke, erfordert riesige Mengen von Datensätzen. Nur wenn diese Vielfalt gewährleistet ist, kann es dem System gelingen, Muster zu identifizieren und „Erlerntes“ eigenständig auf neue oder wenigstens „verwandte“ Sachverhalte zu projizieren.
Sharing Economy für Daten
Daher gilt es, den Blick auch über den Tellerrand hinaus kreisen zu lassen und die notwendigen Synergien auch außerhalb des eigenen exklusiven Zugriffsbereich zu suchen. Vielleicht ist es notwendig, hier neue Formen der Kooperationen zwischen einzelnen, unter Umständen sogar konkurrierende Marktteilnehmern zu etablieren: eine Art „Sharing Economy“ für den Datenaustausch und den Betrieb gemeinsamer Datenplattformen. Denkbar wären beispielsweise Cloud basierte Lösungen, die Skalierungen und die Einbindung von Drittdaten sowie auch den Rückgriff auf externe Rechnerkapazitäten ermöglichen. Das Zusammentreffen von Machine- und Deep-Learning und nahezu unlimitierter, kostengünstiger Rechenleistung aus der Cloud könnte vielen Unternehmen einen „barrierefreien“ Einstieg in die Arbeit mit Künstlicher Intelligenz ermöglichen.
Kooperationen in der Cloud?
Tatsächlich gibt es bereits erste derartige Kooperationen und Plattformen, die den gegenseitigen Austausch von Daten sowie auch kompletter Lern- und Trainingsmodelle für KI ermöglichen. NVIDIA, als Hersteller von Grafikkarten ursprünglich bekannt und groß geworden, betreibt etwa eine eigene Cloud basierte Plattform zum Simulieren und Testen des Fahrbetriebs autonomer Fahrzeuge. Zu den teilnehmenden Unternehmen gehören die großen Automobilhersteller, wie Daimler, Toyota, Audi und VW oder Tesla. Die „offene“ Plattform ermöglicht es, so NVIDIA, „selbstfahrende Autos, Lkws und Shuttles zu entwickeln und einzusetzen, die funktionssicher sind und nach internationalen Sicherheitsnormen zertifiziert werden können.“
Blockchain & KI
Auch aus der Kombination von Blockchain und KI ergeben sich Anwendungsszenarien. Das Berliner Start-Up XAIN arbeitet unter anderem mit Infineon zusammen, um Zugriffsrechte auf Fahrzeugfunktionen durch KI-Algorithmen zu regeln, ohne dass dabei private Daten der Automobilnutzer zentral gespeichert werden müssen. Über das so geschaffene Netzwerk können lokale KI-Algorithmen voneinander lernen, ohne Datenhoheit und die Privatsphäre der beteiligten Anwender zu tangieren.
Blockchain für Datentransaktionen
Das finnisch-schweizerische Unternehmen Streamr bietet den Blockchain basierten Zugang zu einer „Open-Source-Plattform für den freien und fairen Austausch der Echtzeitdaten weltweit“ an und will Datenströme auf diese Weise dezentral zwischen vielen möglichen Beteiligten handelbar machen. Auf diese Weise wäre ein breiter Austausch und der Zugriff auf eine Vielzahl von Daten insbesondere auch für Trainingszwecke möglich, der zudem auch einen finanziellen Anreiz für die Teilnehmer bereithält, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Ähnliche Ansätze existieren zu Hauf im Silicon Valley. Der dezentrale, „distribuierte“ Handel mit Daten ist von einer Reihe von Unternehmen bereits zum Geschäftsmodell erkoren worden. SingularityNET etwa bietet eine Plattform, auf der Entwickler ihre Leistungen im Austausch für andere KI-Dienste oder auch Krypto-Entgelte anbieten können.
Neues Denken erforderlich
Der Rückgriff auf solche Angebote und Verfahren setzt jedoch ein Umdenken, ein grundsätzlich anderes „Mindset“ voraus als vermutlich in den meisten Unternehmen derzeit vorherrscht. Natürlich auch bedingt durch gesetzliche Vorgaben wie DSGVO und ePrivacy-Verordnung, aber eben auch durch eine grundsätzlich restriktive Denkweise, tendieren viele Entscheider dazu, Daten als „exklusiv“ zu betrachten. Das freie und freigiebige Teilen des „Datengoldes“ erscheint vielen schlichtweg abwegig.
„Nur zusammen sind wir stark“
Doch wenn gleichwohl Daten immer ein exklusiver Vorteil innewohnt: in der digitalen Ökonomie lässt sich echter Wert nur durch Größe und vielfältige Anreicherung erzielen. Wenn – was die Regel ist – ein Einzelner dazu nicht in der Lage ist, bleibt nur, das Heil in der Kooperation und im intensiven gegenseitigen Austausch, auch gerade mit vermeintlichen Konkurrenten, zu suchen. Nur so könnte langfristig die Chance gewahrt wären, gegen die Technologie-Riesen aus USA und zunehmend auch aus China zu bestehen.
Daher gilt: Free Your Data – Gebt den Daten ihre Freiheit zurück!
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch von Andreas Wagener Künstliche Intelligenz im Marketing, Haufe, Freiburg, 2023
Weitere Informationen zum Thema finden Sie hier:
Vortrag von Prof. Dr. Andreas Wagener, Hochschule Hof am 17.10.2018:
„Willkommen in der Matrix! Wie KI und Blockchain in der Industrie 4.0 zusammenwachsen“
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